Der strahlend blaue Himmel verspricht einen bilderbuchartigen Sommertag. Ein leichter Wind weht, die Apfelbäume wiegen gemächlich hin und her, der See glitzert in der Morgensonne, eingerahmt von weißen Flauschwolken, den Horizont bildet das Alpenvorland. Ja, wir wohnen wirklich da, wo andere Urlaub machen. Hört sich zu schön an, um wahr zu sein. Das ist es tatsächlich auch an bestimmten Zeiten im Jahr: Dann nämlich, wenn andere hier tatsächlich Urlaub machen. Auf diesem idyllischen Fleckchen Erde sollte man nämlich besonders während der Ferienzeit äußerst wachsam gehen und stehen, denn „Tod durch E-Biker“ ist sicher kein rühmlicher Spruch, den man sich auf seinem Grabstein wünscht. Eine freie Bank oder gar ein Platz in einem Café? Quasi ein Sechser im Lotto. Abends Essen gehen im Restaurant ohne Reservierung? Da schafft der Kellner nicht einmal mehr ein müdes Lächeln. Als Einheimische in Touristenregionen entwickelt man daher Schutzmechanismen zur Hochsaison. Schnell ist man erprobt darin, den Kopf gesenkt zu halten, wenn der Weg durch große Menschenmassen führt und besonders zügig und zielgerichtet voranzuschreiten, auch wenn man es überhaupt nicht eilig hat. Samstags in die Innenstadt? Bist du deppert…
Da man aber nun gerne auch die eigene Region genießen und die herrlichen Sommertage nutzen möchte, bleibt einem als Einheimische eigentlich nur eine Strategie, um entspannt durch den Sommer zu kommen: Es mit Humor nehmen. Da die Urlaubssaison 2023 quasi zusammen mit dem Osterhasen heraneilt, möchte ich mit diesem Artikel schon mal präventiv die Humorzentren aktivieren. Daher folgen nun zwei Highlights meiner Touristen-Begegnungen aus dem Sommer 2022:
- Ein traumhafter Bergtag. Der Himmel strahlt bereits in einem so intensiven Blau, bevor die Sonne überhaupt richtig aufgegangen ist, dass man förmlich spüren kann, wie einem das Herz aufgeht. Wir sind an diesem Sonntag im Juli bereits sehr früh zu einer Mehrgipfelwanderung gestartet. Um die Mittagszeit erreichen wir den letzten Gipfel unserer Tour. Wir und ungefähr 40 weitere Urlauber, die diesen Gipfel von der anderen Hangseite aus erklommen haben. Wir befinden uns auf einem sehr beliebten Ausflungsziel im Allgäu. Diese Beliebtheit würde eine Dame in den Vierzigern wohl auch sehr gerne erreichen, denn sie möchte Ihren Wanderpartnern mit einer kleinen Stärkung etwas Gutes tun. Nichts dabei. Nett sogar. Nicht so nett ist die Art und Weise, wie sie diese Aufmerksamkeit in Form eines Schokoladenriegels an die Frau bzw. den Mann bringen möchte. „Siiiieeeglindeee magsch duu no a Baaaalischdoooo?“ hallt es über den Berg. Sieglinde ist jedoch so mit der gleichmäßigen Aufteilung der Cocktailtomaten beschäftigt, dass sie nicht reagiert. Also wiederholt die engagierte Dame ihren Versuch. „Siiiiiegliiiiindeeeee, i han hier a Balischdoooo für di – magsch du deeeees?“ Diesmal klappt es. Sieglinde lehnt dankend ab. Doch die Dame und ihr ausgeprägtes Stimmorgan geben nicht auf. „Bisch du dir siiiiicheeeer? S isch mit Beeeeraaaa!“ Sieglinde schüttelt den Kopf. Ich auch – innerlich. Gebannt beobachte ich das Spektakel. Als nach der Ablehnung von Gabi, Hans und Rene (oder Irene – ich bin mir bei „Reeeeeneeeee“ nicht sicher, ob das I einfach untergegangen ist) endlich Uli den Riegel nimmt, atmet die engagierte Verpflegerin erleichtert auf. Ich übrigens auch. Und alle Lebewesen im Umkreis von fünf Kilometern wohl ebenfalls.
- Es ist naheliegend, dass im heißen Sommer 2022 zahlreiche Urlauber die Abkühlung im kalten Nass des Schwäbischen Meeres suchen. An den Wochenenden sind die Badestellen am Bodensee entsprechend gut besucht. Unter der Woche findet sich aber noch das ein oder andere traumhafte Plätzchen am Naturstrand. So auch an diesem Sommerabend. Mit Blick auf die Berge genieße ich meinen Feierabend, schön erfrischt nach einem Sprung in den kühlen See. Gerade hole ich tief Luft, um mit einem Seufzer meiner Zufriedenheit Ausdruck zu verleihen, als ich vor Schreck zusammenzucke. „Eeeerwiiiiin, schau doch maaaal ! Ich steeeehee!“ Etwas irritiert schaue ich mich um, sehe aber nur zwei Schwäne und ein paar Enten, die ebenfalls leicht erschrocken die Köpfe drehen. Erwin scheint es ähnlich zu gehen, denn sofort folgt ein schrilles „Hiiiiier drüüüüüben!“. Und da erscheint die schreiende Frau in meinem Blickfeld. Oder ich sollte eher sagen, sie schwankt von links heran. Denn sie steht wacklig auf einem Stand-Up-Paddleboard auf dem Wasser. Jetzt sehe ich auch Erwin, der peinlich berührt, in Shorts, Hemd und Socken mit deutlichem Abstand zum Wasser auf seinem Handtuch sitzt. Voller Begeisterung winkt und zappelt seine Liebste auf dem Board auf und ab und schreit vor Freude nochmal laut: „Ich steeeehe, siehst duuu, ich steheee!“ Nicht mehr lange, denke ich und versuche meinen Blick wieder auf die Berge zu richten. Doch keine Chance. Denn so ein Spaß muss ja schließlich geteilt werden. „Schaaatzi, möchest du nicht auch einmal auf mein Brett steigen? Das musst du ausprobieren!“, hallt es über den Strand. Erwin muss das nicht, findet er, und schüttelt energisch den Kopf. „Ach nur eine kleine Runde – das schaffst du schon – sei doch nicht so langweilig!“ Entweder die tief stehende Sonne leitet in diesem Moment die Abendröte ein oder Erwin läuft von sich aus puterrot an. Sein kurzes, aber schroffes „Nein. Lass gut sein jetzt.“ spricht allerdings klar für Zweiteres. Mittlerweile verfolgen sämtliche Badegäste aufmerksam das Spektakel. Manche Menschen muss man zu seinem Glück zwingen, scheint das Motto der begeisterten SUP-Paddlerin zu sein, denn sie gibt nicht auf. „Ach jetzt hab dich doch nicht so! Jetzt sind wir doch nur das eine mal hier unten im Süüüüden! Sei kein Weeeeichei. Ich fahre mal zuuu dir!“ Gesagt, getan und mit schwankenden, unkoordinierten Bewegungen versucht sie in Richtung Ufer zu paddeln. Plaaatsch! Da landet sie auch schon im Wasser. Aus dem Augenwinkel sehe ich, wie Erwin schwerfällig aufsteht und zielstrebig in Richtung der Toiletten davon stapft. Tja, Erwin, das wird ein langer Urlaub für dich, denke ich grinsend und wende mich wieder dem traumhaften Ausblick zu.
Einfach nur herrlich finde ich diesen Text 😀